Wer arm ist, stirbt früher - und kassiert kürzer Rente

Die Ungleichheit zeigt sich nirgendwo dramatischer als im Ruhestand. Denn wer ärmer ist, stirbt früher. Und zwar nicht nur etwas eher.
Pensionierung, Ruhestand, Rente, soziale Ungleichkeit
Keine Panik auf der Titanic, auch wenn die Ungerechtigkeit nicht wegzureden ist (Bild: Shutterstock)

So rechnet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem neuen Bericht "Verhinderung von Ungleichheit im Alter" vor, dass im Durchschnitt der 23 Mitgliedsländer 65-jährige Männer mit Abitur eine um 3,5 Jahre höhere Lebenserwartung haben als Männer ohne Schulabschluss.

Bei 65-jährigen Frauen führt der Bildungsunterschied zu einer Lücke von 2,4 Jahren. Und auch wenn Deutschland mangels geeigneter Daten von der OECD nicht in die Studie einbezogen wurde, gilt auch hierzulande als ausgemacht, dass ökonomische Unterschiede einen wesentlichen Einfluss auf die Lebenserwartung ausüben.

So sterben nach einer aktuellen Studie des Robert-Koch-Instituts Männer, die an oder unter der Armutsgrenze leben, im Schnitt mehr als zehn Jahre früher als wohlhabende Männer.

Bei Frauen beträgt die Differenz rund acht Jahre. Betrachtet man auch noch den Gesundheitszustand, werden die Unterschiede zwischen Wohlhabenden und Ärmeren noch ausgeprägter.

News mit Zündstoff

Männer in Armut leben lediglich bis zu ihrem 57. Geburtstag ohne schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen und damit 14 Jahre weniger lange als ihre Altersgenossen in den höchsten Einkommensgruppen, die bis zum 71. Geburtstag gesundheitlich einigermassen fit bleiben.

Es sind keine guten Nachrichten, die von der OECD vorgelegt werden. Sie sind Sprengstoff. Ökonomisch, weil eine zunehmende Ungleichheit im Alter das Fairnessempfinden der Massen provoziert: als gering Verdienender gleich lange in die Rentenkassen einzahlen zu müssen wie alle anderen, aber im Ruhestand weniger lange davon profitieren zu können als Besserverdienende, weil man als Armer früher stirbt, wirkt nicht gerade besonders gerecht.

Wie wohl müssen sich junge Menschen heutzutage fühlen, wenn steigende Abgaben für die Sozialversicherungen ihre Einkommen während des Erwerbsphase immer stärker belasten, sie aber dann, wenn sie eines heute noch fernen Tages selber alt geworden sind, weniger denn je sicher sein können, ob die Rente für ein Leben in Würde noch ausreichen wird?

Die erfreulicherweise ständig weiter steigende Lebenserwartung, die sinkenden Familiengrössen bei stärkerer Individualisierung der Verhaltensweisen, die im Erwerbsleben zunehmend breiter gewordenen Einkommensspannen zwischen gut und schlecht Verdienenden sowie die kleiner gewordenen staatlichen Finanzierungsspielräume sind in der OECD-Analyse die Ursachen für das Auseinanderklaffen der Lebensverhältnisse im Alter.

Sie gelten auch für Deutschland und sind dafür verantwortlich, dass sich im Lebensverlauf von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter an vielen Stellen mal kleinere, mal grössere Unterschiede ansammeln, die sich im Alter zu beachtlichen Ungleichheiten der Überlebenschancen aufsummieren.

Geringere Lebenserwartung

Ähnlich positiv korrelieren Gesundheit, Bildung und Einkommen bei Erwachsenen. Wer einen sicheren Job hat und besser verdient, hat auch einen einfacheren Zugang zu Fort- und Weiterbildung, kann sich eher eine Gesundheitsvorsorge leisten und ist weniger gefährdet vor Beitragslücken bei der Alters- und Pflegeversicherung.

Wer nicht arbeitet, kann sich Kosten für Bildung und Gesundheit weniger leisten und hat auch rasch Lücken bei den "Entgeltpunkten", die entscheidend für die spätere Rentenhöhe sind.

Bildungs- und Gesundheitsprobleme kumulieren insbesondere bei Arbeitslosen und Alleinerziehenden und potenzieren sich im Alter durch eine geringere Lebenserwartung, geringere Lebensqualität und zunehmende Armut.

Nach den OECD-Daten ist umstritten, ob als Folge der Digitalisierung die Ungleichheit im Alter in Zukunft zu- oder abnehmen wird.

Aber vieles spricht dafür, dass der beschleunigte Strukturwandel die bereits während des Erwerbslebens bestehende Polarisierung noch einmal verschärfen wird.


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